REMlucido
Wo enden Träume und wo beginnt die Realität? Können wir Erfahrungen, die wir ausschließlich mit uns selbst machen, die aus der Einsamkeit entstehen, mit anderen Menschen teilen – und wenn ja, wie? Ist es möglich, über den Umweg der Einsamkeit zu tiefergehenden zwischenmenschlichen Kontakten zu gelangen, zu einem weniger oberflächlichen Miteinander? REMlucido ist eine performative Installation, die unter dem Eindruck der Covid 19-Pandemie sehr stark gewachsen ist. Sie behandelt sowohl das Thema „Träume“ als auch den Themenkomplex „Einsamkeit“.
Die Idee zu diesem Projekt begleitet uns schon seit dem Jahr 2019. Wo liegen die Grenzen zwischen Traum und Realität, wer bestimmt sie und können wir Einfluss auf sie nehmen? Während wir noch über die Beziehung unserer Träume zum sog. „wirklichen Leben“ nachdachten, brach die Covid 19-Pandemie in unser Leben ein, die für viele Menschen (uns eingeschlossen) sowohl das Arbeitsleben als auch das künstlerische Leben veränderte.
Einsamkeit war die Folge, Arbeiten wurden auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, bereits laufende künstlerische Projekte abgesagt. Der LAFT, in dem auch wir Mitglieder sind, stellte uns für eine Online-Version des Performing Arts Festivals Berlin die folgenden Fragen: „Wozu brauchen wir die Künste in Krisenzeiten? Was können das Internet und die darstellenden Künste voneinander lernen? Schickt uns ein Video, in dem ihr erzählt, wie euer Projekt ausgesehen hätte.“
Die Fragen verwirrten uns einerseits, aber wir begannen, darüber nachzudenken, und zunächst drängte sich der Begriff des Scheiterns in den Vordergrund. In einer Gesellschaft, die auf der Einheit „Ich“ aufgebaut ist, in der alle mit ihrer eigenen Selbstbestätigung beschäftigt sind, in der alles „nach außen“ geht, erzeugt diese Pandemie das Gefühl von Scheitern in uns allen. Wir sind allein mit uns selbst. Kunst kann jedoch dabei helfen, dieses Scheitern zu transformieren.
Das Internet ist ein Medium, das wir meist allein konsumieren oder benutzen – kann man nicht auch Kunsterfahrungen allein machen? Würde unser Projekt nicht am besten so aussehen, dass nur ein einziger Zuschauer pro Vorstellung unsere Räume betritt, auch, wenn das mit unseren Sehgewohnheiten sehr stark bricht?
Wenn wir versuchen, dieses Scheitern als Gelegenheit zur Transformation und zur Offenlegung anderer Aspekte der Wirklichkeit wahrzunehmen, wird es zu einem enorm wichtigen Element der persönlichen Erfahrung. Wie können wir Erfahrungen, die wir ganz allein gemacht haben, für andere Menschen verständlich machen? Gibt es eine Sprache jenseits der Worte, die uns ermöglicht, eine einsam erlebte Realität oder auch einen Traum, der uns erschüttert, weiterzugeben, mit anderen Menschen zu teilen? Dieses Projekt, das sich in den Zeiten der Pandemie weiterentwickelte, versteht sich als performative Antwort auf die Schwierigkeiten, denen wir unter dem Brennglas der Covid 19-Pandemie ausgesetzt sind, und es ist gleichzeitig unsere Antwort auf die Beschäftigung mit dem Thema „Traum und Realität“.
Traum und sensible Wahrnehmung
Jeder Mensch verbringt ein Drittel seines Lebens mit Schlaf, und Träumen ist ein grundlegendes Element des Schlafzyklus. Mindestens sechs Jahre eines durchschnittlichen Lebens werden mit Träumen verbracht – dennoch verschwindet bei Tageslicht alles, was im Schlaf geschieht: Wir erinnern uns höchstens an Bruchstücke davon. Der Schlaf und die ihn begleitenden Träume gehören zu den geheimnisvollsten und noch immer nicht gut erschlossenen Aspekten der Neurowissenschaften. Vielleicht entstand der Schlaf als eine Art „Energiesparmodus“ und zur physischen Erholung; er sorgt jedoch auch für die Reorganisation einiger psychischer Prozesse wie Erinnern und Lernen. Mit Sicherheit wissen wir, dass der Schlaf eine wesentliche Rolle bei der Aneignung von Wissen, bei der Entwicklung von Ideen und vor allem bei der Festigung unseres Gedächtnisses spielt. Das Erinnern ist Grundlage unseres Lebens; wir identifizieren uns mit Situationen, Menschen und Dingen, die wir erlebt und in unserem Gehirn abgelegt haben. Das Erinnern erlaubt uns Wissen weiterzugeben und macht unsere Kultur aus. So hilft uns der Schlaf, unsere Identität zu festigen.
Was lässt uns schlafen?
Alle Lebewesen existieren in Zyklen, die darauf abzielen, ihre biologischen Funktionen mit dem Rotationszyklus der Erde (24 Stunden) zu synchronisieren. Auch der Mensch besitzt diese inneren Uhren – eine davon ist der Schlaf-Wach-Rhythmus, der sich dem natürlichen Rhythmus von Nacht und Tag anpasst. Dieser zirkadiane (also eintägige) Zyklus beeinflusst auch die Körpertemperatur, die Ausschüttung von Hormonen, die Schwankungen des Blutvolumens und vieles mehr. Reguliert wird dieser gesamte Mechanismus durch eine recht geringe Anzahl von Zellen (einige zehntausend), die sich im Hypothalamus befinden. Für die Weiterleitung von Nervenimpulsen werden im Schlaf zahlreiche Gehirnzentren aktiviert. Man kann also nicht behaupten, dass das Gehirn während des Schlafs ruhe oder weniger arbeite – es arbeitet nur auf eine andere, gleichermaßen aktive und komplexe Weise weiter.
Die Phasen des Schlafes
Wir wissen, dass die Grundaktivität eines gesunden Gehirns im ruhigen Wachzustand durch einen relativ schnellen, ziemlich regelmäßigen Rhythmus (8-10 Zyklen pro Sekunde) gekennzeichnet ist. Beim Einschlafen verlangsamen und verlängern sich die Gehirnwellen. Diese fortschreitende Verlangsamung der Hirnaktivität erfolgt in den vier Phasen, die uns langsam in den Tiefschlaf führen, bis das Gehirn auf einmal erschüttert wird: Die langsamen Wellen ebben ab, der Hirnrhythmus beschleunigt sich wieder, Herzschlag und Atmung werden schneller und die Augen beginnen plötzlich zu rotieren. Wir erreichen hier den REM-Schlaf (Rapid Eye Movement), so genannt, weil sich die Augen bei geschlossenen Lidern schnell bewegen. In diesem fortgeschrittenen Moment der Nacht werden die Inhalte der Träume reicher und komplexer, wir können bewegte Bilder sehen, wir glauben zu laufen, wir klettern, wir fliegen. Im Traum können wir auch uns selbst sehen und erkennen – jedoch verlieren wir den Bezug zu Zeit und Raum. Diese Phase ist extrem wichtig, denn unser Verstand vergleicht und ergänzt die Fakten, die er „frisch“ in unserem Gedächtnis fixiert hat, mit Fakten aus der Vergangenheit und aktualisiert dadurch unsere Erinnerung und unsere Erfahrungen. Das lässt unser Gehirn wachsen. Weckt man einen Schlafenden während der REM-Phase, offenbaren sich oft lebhafte, detaillierte Träume. Menschen treten in einer Nacht bis zu sechsmal in eine REM-Phase ein. Mit dem Herannahen des Morgens verkürzt sich jeweils die Dauer des Tiefschlafes, während sich die des REM-Schlafes, also des erlebnisreichen Schlafes, verlängert. Somit sind die Träume, die uns beim Aufwachen in Erinnerung geblieben sind, immer die komplexesten.
Merkmale des Träumens
Fünf charakteristische Aspekte kennzeichnen den Traum: visuelle und motorische Halluzination; Akzeptanz bestimmter Erfahrungen als der Realität entsprechend, obwohl sie nicht „real“ stattfinden; räumliche und zeitliche Verzerrungen; intensive Emotionen; Amnesie der Traumentstehung. Im Traum entstandene Bilder werden nicht durch Sinneseindrücke von außen gebildet, sondern durch lebhafte – insbesondere visuelle und auditive – Halluzinationen: Das Subjekt sieht und hört Dinge, die nicht existieren. So entstehen oft phantastische und inkongruente Geschichten, die das Subjekt jedoch als real und logisch empfindet. Der Traum intensiviert durch die Aktivierung der emotionalen Zentren des Hirnstamms Emotionen wie Angst, Überraschung, Furcht oder Euphorie. Traumerinnerungen sind dennoch oft schwach, weil sie nur vorübergehend im Kurzzeitgedächtnis gespeichert werden. Weitere Kriterien zur Bestimmung der Qualität von Träumen sind die Bestimmtheit oder Lebhaftigkeit der Träume, die Kontrolle des eigenen Bewussten und Unbewussten, das Verhältnis von Real- und Traumgedächtnis, die Deutlichkeit der Träume. Man kann somit behaupten, dass unser Geist jede Nacht außergewöhnlich intensive Erfahrungen macht. Die nächtliche Tätigkeit des Gehirns, an der die Träume erheblich beteiligt sind, hat auch die spezifische Funktion, Erfahrungen, die wir während des Tages erlebt haben, zu ordnen, unbedeutende Dinge zu entfernen und wichtige Fakten in unserem Langzeitgedächtnis zu fixieren. Während der REM-Traumphase vergleicht, integriert und modifiziert unser Verstand diese Fakten an dem bereits in unserem Gedächtnis vorhandenen Wissen.
Schlaf ist also viel mehr als nur ein Moment der Ruhe. Während der Körper ruht, regeneriert sich das Gehirn, die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen werden erweitert und Erinnerungen gefestigt. Unsere Persönlichkeit verändert sich. Das Gehirn lernt während des Schlafens, und manchmal regt der Schlaf unsere Kreativität an. Zu den weiteren Aufgaben, die das Gehirn nachts erledigt, gehört das Beseitigen der Metaboliten (Zwischenprodukte des Zellstoffwechsels), die durch die Hirnaktivität im Wachzustand entstehen. Das Schlafen ermöglicht ein „Groß-Reinemachen“ des Gehirns. Sehr oft erinnern wir uns nicht an unsere Träume. Um uns daran zu erinnern, müssen wir in dem Moment aufwachen, in dem wir träumen, also während der REM-Phase. Aber auch dann bleiben Träume meist vergänglich. Beim Aufwachen können wir uns an sie erinnern, aber dann verblassen sie.
Träume sind eines der Geheimnisse unseres Lebens.
Träumen, Alleinsein und das Ich
Vielleicht ist der Traum einfach nur eine andere Form von Wirklichkeit. Wir erleben sowohl das Erwachen als auch das Träumen auf eine uns selbstverständlich erscheinende Weise. Wahrscheinlich sind “wir” die wahre Illusion – indem wir versuchen, in einer Welt, die uns vielfältig erscheint, verschiedene Subjekte und Objekte einander gegenüberzustellen, die Welt zu „sortieren“. Das einzig sichere Kriterium zur Unterscheidung von Traum und Wirklichkeit ist aber wohl der empirische Moment des Erwachens; er unterbricht nämlich die kausale Verkettung zwischen geträumten Ereignissen und bewusstem Leben. Wie agieren unser Äußeres und Inneres miteinander und wie verhalten sie sich zum Äußeren und Inneren des Anderen – und zwar auch des Anderen, das in uns ist? Wie gehen wir mit der Brutalität des Wortes um, die oft droht, die flüchtigen und zarten Eindrücke unserer intimsten Wahrnehmungen (ob im Traum oder in der Realität) zu zerstören? Bergson sagt: “Signifikant ist die Bedeutung des Traums als eines Ortes, an dem die Dauer wieder qualitativ wahrgenommen wird. Durch die Senkung der organischen Funktionen verändert sich im Schlaf die Kommunikationsoberfläche zwischen dem ‘Ich’ und den äußeren Dingen, so dass wir im Traum die Dauer nicht mehr messen, sondern sie einfach nur fühlen.“ Und weiter: „Unser ‘lebendiges Ich’ ist mit einer äußeren Kruste aus klar gezeichneten, festen und bewussten Fakten bedeckt. Aber gegen dieses ‘Ich-Phantasma’ wendet sich die freie Handlung, die – wie bei einer Revolte – die äußere Kruste sprengt. (…) Freies Handeln bedeutet letztlich, wieder in Besitz von sich selbst zu gelangen und sich in der Zeit einzufinden“. Der Traum als ein Element im Leben aller Menschen ist für REMlucido auch als Bild zu verstehen: Träume sind, wie beispielsweise auch die Corona-Pandemie oder andere tiefgreifende Veränderungen im Leben, etwas, das wir ganz allein mit uns selbst erleben. Dieses Alleinsein kann wichtige persönliche Prozesse anstoßen, es kann unser Menschsein positiv verändern. Der Traum scheint uns auch deshalb so geeignet, diese Prozesse zu beleuchten, weil er unabhängig von unserer erlernten Kultur ist, er ist nie intellektuell, er ist ein grundlegender Teil des menschlichen Seins. So kann eine künstlerische Reflektion darüber dazu beitragen, mit der Erfahrung des eigenen Alleinseins anders auf andere Menschen zuzugehen, aus dem vertieften Verhältnis zu sich selbst auch ein vertieftes Verhältnis zu anderen Menschen zu gewinnen.
Der Titel: REMlucido
Obwohl diese Installation das Thema „Träume“ behandelt, werden ihre Besucher/-innen natürlich wach sein, sie sind bei Bewusstsein. Auch träumen können wir bei Bewusstsein, wir sprechen dann von sog. „luziden Träumen“. Während wir schlafen, ist der vordere Bereich des Gehirns normalerweise deaktiviert, der für das Bewusstsein zuständig ist und uns von den Tieren unterscheidet. Beim Schlafen sind wir daher nicht bei Bewusstsein. Einige Menschen können aber auch dann noch schlafen, wenn dieser präfrontale Bereich aktiv ist – und es gibt Momente des Schlafs, in denen wir zwar noch schlafen, aber ein partielles Bewusstsein behalten, wie etwa während des Halbschlafs vor dem Aufwachen. Es hat sich gezeigt, dass in diesen Momenten unsere Kreativität aktiviert wird, z.B. finden wir oft beim Aufwachen die Lösung eines Problems, das wir vorher nicht zu lösen vermochten. Der Titel unterstreicht damit, dass sich die Installation an Grenzen bewegt: An der Grenze zwischen Schlafen und Wachen, Theater und Installation, Traum und Realität, Einsamkeit und Zusammensein.
Die Form: performative Installation
REMlucido ist ein installativ-performativer Parcours, der für jeweils einen Besucher/eine Besucherin konzipiert ist und etwa 30 Minuten dauert. Die Installation präsentiert sich als ein Organismus, der Beziehungen zu den einzelnen Besuchern/-innen aufnimmt und vice versa. Sie ist ein zeitlicher und sensorischer Parcours, den der/die Besucher/-in allein geht, wie im Traum und wie in der Realität: allein, aber mit anderen, und doch allein… REMlucido ist also auch eine Reflektion über unsere Erfahrungen in der Pandemie, eine Reflektion über die Realität. Erforderlich ist eine dynamische und aktive Teilnahme der Besucher/-innen, die auch physisch mit den verschiedenen Räumen und Ebenen interagieren werden. In den verschiedenen Umgebungen/Räumen werden sensorische Reize unterschiedlicher Art vorgeschlagen, mit denen von jedem Besucher/jeder Besucherin eine jeweils ganz spezifische Dynamik hergestellt werden kann. Die Installation ist das Ergebnis einer Forschungsarbeit, die mit der Sammlung zahlreicher persönlicher Zeugnisse im Zusammenhang mit der Traumsphäre begann.
Das Sammeln von Träumen begann am 31. Dezember 2019.
Wir zeichneten die Träume von Freunden, Verwandten, Bekannten, Fremden auf. Diese Sammlung ist nur für die Urheber des Projekts zugänglich; daher bleibt diese Phase völlig privat und darf nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Das direkte Anhören eines Traums, der von der Person erzählt wird und nicht in Büchern oder im Internet gelesen wird, ermöglicht uns ein besseres Verständnis der verschiedenen Dynamiken des Traums und einen direkten Austausch. Diese erste Projektphase wurde im Frühling 2020 abgeschlossen. Dem Projekt dient das gesammelte Material sowohl als schöpferische Quelle als auch zur Ausarbeitung der räumlichen, zeitlichen und sensorisch-performativen Mechanismen, auf welchen die Installation basiert. Die darstellenden Künste werden dabei mit der bildenden Kunst verschränkt, visuelle und auditive Eindrücke sollen mit anderen Sinneseindrücken wie Duft und Berührung kombiniert werden. Damit löst REMlucido Grenzen zwischen Sparten und Kategorien auf und zeigt eine multimediale, sensorische Installation, die es möglich machen soll, dass die einzelnen Besucher/-innen ihre im Wachzustand gemachten Erfahrungen mit onirischem, „traum-haftem“ Material, das aus einer völlig anderen Dimension stammt, in Beziehung setzen. Wahrnehmungsebenen (Wachen/Träumen) kollidieren und jeder Mensch kann so neue Erfahrungsdimensionen mit völlig unterschiedlichen Dynamiken erschaffen. Auch die Sprache der Installation soll möglichst flexibel bleiben: Da wir den Traum als universelle Fähigkeit des Menschen ansehen, halten wir es für falsch, die verschiedenen Möglichkeiten nicht voll auszuschöpfen. Sowohl live performte Texte als auch Einspieler werden auf Englisch, Italienisch und Deutsch vorbereitet. Durch die Voranmeldung des/der jeweiligen Zuschauers/Zuschauerin kann jeweils individuell entschieden werden, welche Sprache benutzt wird.
Der Spielort
REMLucido ist in Form eines Weges konzipiert, der durch ein zweistöckiges Gebäude führt, in dem sich der einzelne Besucher für eine Dauer von maximal 30-35 Minuten aufhält. Es wird keinerlei Hinweise oder Schilder irgendeiner Art geben. Jeder Besucher/jede Besucherin wird in der Lage sein, “intuitiv” zu erkennen, welche möglichen Wege zu beschreiten sind, bevor man am Ende zum Ausgang geleitet wird. Ein solch flexibler Spielort konnte mit dem Verwalterhaus gefunden werden. Das Verwalterhaus hat großes Interesse an REMlucido gezeigt und die Zusage gegeben, dass die Installation dort stattfinden kann (siehe Anlage). Bereits im Mai 2020 bietet das Verwalterhaus Künstlerinnen und Künstlern die Chance, Arbeiten zu zeigen, die während des Lockdowns entstanden sind oder durch die Erfahrungen während der Pandemie inspiriert wurden. REMlucido würde sich also auch in den Spielplan dieses Ortes einfügen, der sich als Forum für aktuelle Kunst und Kultur in Berlin versteht. Neben den räumlichen Möglichkeiten bietet das Verwalterhaus auch einen inhaltlichen Bezug: Durch seine Lage auf dem alten St. Marien-St. Nikolai-Friedhof ist es geradezu prädestiniert für eine Performance an der Grenze zwischen verschiedenen Erscheinungsformen der Wirklichkeit. Es bietet Raum für Stille und Konzentration, aber auch für Austausch und Interaktion.
Geplante Aufführungen:
Die Erstaufführung der Installation ist für Juni 2021 vorgesehen: vom 20. bis 30.6.2021. Pro Tag sollen zwischen 18 und 23.30 Uhr mehrere Aufführungen von jeweils 30 Minuten Dauer gespielt werden. Da pro Vorstellung nur ein Zuschauer/eine Zuschauerin Zutritt erhält, ist eine Voranmeldung erforderlich.
Die Räume
Erdgeschoss/Piano terra
1 – Einlass/L‘Andito
Ein kleiner Raum am Eingang zum Verwalterhaus, wo der Besucher/die Besucherin nach Voranmeldung empfangen wird. An der angrenzenden Bar kann man warten, bis ein Licht- oder Soundzeichen zum Eintritt in die Installation aufruft.
2 – Erholung/Il Riposo
Ein einladender, kleiner Raum mit einem auf Schienen montierten Sessel. Der Raum wird parfümiert sein. Der/die Besucher/in kann sich in diesem Raum entspannen und Ruhe finden.
3 – Desorientierung/Il Disorientamento
Auf den Schienen fährt der Sessel in dieses Zimmer. Der Raum heißt „Desorientierung“, weil er sowohl auf der räumlichen wie auf der Wahrnehmungsebene mit Verwirrung spielt. Ein abgeholzter Wald, unterirdische Welten, weit entfernte Erinnerungen. Die audio-visuellen Impulse stimulieren Wahrnehmungen und Emotionen. Sobald die Tür des Zimmers sich öffnet, kann der Besucher/die Besucherin den nächsten Raum betreten.
4 – Knochen/Le Ossa
Dieser Raum ist von dem klassischen Märchen von Blaubart inspiriert, hier in einer Fassung der Schriftstellerin Angela Carter: Blaubart ist das Dunkle, das die Seele bewohnt, ein klassisches Bild in den Traumwelten von Menschen aller Geschlechter. Ein Berg aus Knochen, Geräusche, Lichter, Rauch schaffen eine beunruhigende Atmosphäre. Hier findet ein performativer Teil von REMlucido statt: Die junge Braut Blaubarts erscheint, die ermordet werden soll, weil sie ein geheimes Zimmer betreten hat. Die Braut repräsentiert dabei das kreative Potenzial der Seele, etwas, das für das überschäumende Leben steht. Die Braut betritt das Treppenhaus und verschwindet.
Obergeschoss/Primo Piano
5 – Aussehen/Erscheinung (L‘Apparenza/L‘Apparizione)
Der oder die Besucher/-in folgt der Braut nach oben, wo er/sie sich auf angenehme (oder unangenehme?) Art umgeben von weichen Zeltwänden wiederfindet. Der Korridor ist von geschlossenen Türen flankiert, er endet in einem leeren Zimmer. In diesem Raum wird der/die Besucher/-in mit mehreren Formen des “Sehens” konfrontiert: Was von dem, was wir sehen, ist wirklich “real”? Hier wird eine alte Frau erscheinen, die alltäglichen Arbeiten nachgeht, Kartoffeln schält oder häkelt. Später wird der/die Besucher/-in derselben alten Frau in einem anderen Kontext begegnen – welche Erscheinung ist real und welche nicht? Die alte Frau wird direkt mit ihrem “Gast” sprechen.
6 – Das magische Quadrat/ Il quadrato magico
SATOR-AREPO-TENET-OPERA-ROTAS ist ein Palindrom, ein Satz, den man gleichermaßen in beide Richtungen lesen kann. Das magische Quadrat findet man in Italien, Frankreich, Spanien, England, Ungarn und anderen Ländern Europas. Es gibt zahlreiche archäologische Interpretationen, dennoch bleibt es ein noch immer als magisch wahrgenommenes Geheimnis. Das Quadrat wird sich dem/der Besucher/-in zeigen.
7 – Teezeremonie / La cerimonia del tè
Hier wird der/die Besucher/-in zu einem Teeritual eingeladen. Das Zimmer ist sehr speziell eingerichtet, die Ausstattung orientiert sich an dem Film “Dreams” von A. Kurosawa. Man „sieht“ Gegenstände, die nicht da sind, vor dem Fenster sind Landschaften zu sehen, die nicht vor diesem Fenster liegen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt bricht Dunkelheit herein und ein Junge erscheint in der Tür des Raums: Er gibt ein Zeichen, ihm zu folgen.
8 – Verstörung/Schönheit/Erotik (Il perturbante/il bello /l’erotismo)
Indem er/sie dem Jungen folgt, passiert der/die Besucher/-in die letzten drei Räume, in denen er/sie nur visuelle Details aus den Bereichen Verstörung, Schönheit und Erotik oder Sinnlichkeit wahrnimmt.
9 – Ausgang/L‘uscita
Der Junge wird den oder die Besucher/-in still zum Ausgang begleiten. Die Treppen, die der/die Besucher/-in schon am Anfang benutzt hat, werden ein anderes Aussehen haben. Kurz vor dem Ausgang wird der Junge verschwunden sein.
Verwalterhaus Berlin – Alter Friedhof St. Marien – St. Nikolai-Prenzlauer Allee 1, 10405 Berlin
Konzeption und Gestaltung: thauma_Catia Gatelli, Paolo Migali
Kontakt: catia.gatelli@gmail.com www.thauma.org